Die kalte Jahreszeit kommt, und mit ihr das Thema Schwimmwesten. Wann soll man sie tragen? Gar nicht? Je nach Situation? Immer? Sollte es gar eine Tragepflicht für alle geben? Es gibt vehemente Befürworter und erbitterte Feinde zum Thema Rettungswesten – und beide Lager haben Argumente. Aber haben sie auch die Fakten? Die Abonnenten der Zeitschrift rudersport wurden befragt, was sie davon halten und der Unfallmediziner Andreas Bartsch (WSV Godesberg) beantwortet die Fragen aus Sicht des Experten.

Brauchen wir eine Schwimmwestenpflicht?

Umfragen mit unseren Abonnenten überraschen mich immer wieder. Vom Ergebnis, aber erst recht von der Qualität der Begründungen. Wie bei der Schwarmintelligenz tragen viele gemeinsam ihr Wissen zusammen und erzeugen so ein rundes Bild, das die vielen Facetten enthält und widerspiegelt, die ein Thema oder ein Problem beinhalten. So auch diesmal bei dem höchst emotionalen Thema Rettungsweste bzw. Rettungswestentragepflicht. Das Wort ist schon in seiner Länge unerträglich, aber der Inhalt ist es für viele Ruderer erst recht.

Wir haben unsere Abonnenten befragt – und weit über hundert haben geantwortet – ob es eine uneingeschränkte Pflicht zum Tragen einer Rettungsweste geben sollte. Nur drei Prozent sprachen sich für diese strikte Regelung aus. 22 Prozent bejahten diese nur, wenn die Wassertemperaturen unter 15 Grad sinken, also meist in der Zeit zwischen Ab- und Anrudern. 13 Prozent der Abonnenten schränkten die Tragepflicht noch weiter ein: Sie solle im Winter nur für lage-labile Boote (Einer und Zweier) gelten. Den größte Anteil an Zustimmung gab es jedoch für ein anderes Statement: Jeder solle selbst entscheiden, ob er eine Rettungsweste anlegt oder nicht - ausgenommen Kinder und Jugendliche: 37 Prozent votierten für diese variable Regelung, die Entscheidung, eine Weste anzulegen oder nicht, dem einzelnen und der Beurteilung der Situation zu überlassen. Ein Viertel der Befragten (24 Prozent) gaben an, dass es generell keine verbindlichen Vorschriften zum Tragen von Rettungswesten geben sollte.

Die Westen-Hardliner, die dem Grundsatz folgen wollen, im Winter sei grundsätzlich eine Rettungsweste zu tragen, sind also bei der Umfrage eindeutig in der Minderheit. Der überwiegende Teil möchte keine diesbezügliche Pflicht und die Entscheidung, eine Rettungsweste anzulegen von Faktoren abhängig machen wie Alter, Ruderrevier, Witterung, Boot und Mannschaft. So überrascht es auch nicht, dass auf die Frage „Tragen Sie selbst eine Rettungsweste im Winter?“ die Antworten sich gleichmäßiger verteilten: Ja (25 Prozent), Meistens (21), Selten (17), Nein (35), obwohl auch hier die Nein-Sager die stärkste Gruppe bilden.

Aber wer hat Recht? Wir haben unsere Abonnenten um Stellungnahme gebeten und drucken im Folgenden einige Aussagen. Aufgrund der Vielzahl der Antworten können wir nicht alle berücksichtigen und mussten Beiträge auch kürzen. Aber insgesamt geben sie sehr gut das Stimmungsbild in der Ruderschaft wider: gespalten, skeptisch und doch auf Sicherheit bedacht, könnte man es beschreiben.

Wir haben außerdem einen ausgewiesenen Experten zu Wort kommen lassen, der sehr klar und deutlich schildert, wie schnell der Kältetod eintreten kann und wie nah wir Ruderer dieser Gefahr sind, ohne uns dieser immer bewusst zu sein. Aber um diese Klarheit zu gewinnen, muss man tatsächlich wohl einmal ins eisige Wasser gefallen zu sein. Ich selbst habe bislang die Weste auch nur im Einer und in kritischen Gewässern getragen. Nach dem Gespräch mit dem Andreas Bartsch werde ich dies ändern

Thomas Kosinski
erschienen im „rudersport“ 10/2017

 

Im kalten Wasser lauert der Tod

Andreas Bartsch ist Arzt für Anästhesiologie, Intensivmedizin und Notfallmedizin in Bonn – und er ist Ruderer.  Der Unfallmediziner hat viele Unfallsituationen erlebt und beantwortet für rudersport die wichtigsten Fragen zum Thema Sicherheit im Winter.

Was passiert, wenn ein Mensch unvorbereitet ins kalte Wasser fällt?

Der erste Reflex bewirkt einen tiefen Atemzug. Wer will, kann das unter der Dusche beim Umschalten vom warmen zum kalten Wasser selbst beobachten. Wenn während dieser reflektorischen Atmung Wasser angesaugt wird, kommt es zu Husten und meist zum Krampf des Kehlkopfeingangs – verbunden mit der Unmöglichkeit, weiter Luft zu holen. Bei dieser Luftnot kommt Panik auf, es wird meist viel Wasser verschluckt, nur wenig gelangt wirklich in die Lunge. Wer weiß, dass die Panik vorübergeht, hat bessere Chancen, diese erste kritische Situation zu meistern. Erst wenn er den Kopf aus dem Wasser bekommt, kann er wieder atmen.

Ruderer können doch schwimmen, warum ist kaltes Wasser so gefährlich?

Die erste Panik nach Sturz ins Wasser, geht meist schnell vorüber, vor allem, wenn man das weiß und sich sagt: Ruhe bewahren, Kopf aus dem Wasser, ruhig atmen. Das Problem ist die schnelle Muskelermüdung und -lähmung, die bereits nach wenigen Minuten einsetzen kann. Die Auskühlung im Wasser ist 25 bis 30mal schneller als an der Luft, eine Aussage, die man sich auf der Zunge zergehen lassen muss: Nicht doppelt so schnell, nicht zehnmal so schnell, sondern 30mal so schnell. Das kann in ganz wenigen Minuten zum Problem werden. Überlebenswichtige Konsequenz: So viel vom Körper wie irgend möglich aus dem Wasser herausbringen. Zum Beispiel, indem sich der Ruderer mit dem Oberkörper über das Boot legt und mit den Beinen im Wasser hängt oder versucht, das Boot voranzutreiben.

Geht das auch mit Rennbooten?

Mit Rennbooten geht es noch besser, weil man sich leichter auf sie legen kann. Einer- und Zweierruderer im Rennboot oder Übungseiner können sich vorn oder hinten auf den Luftkasten legen und das Boot wie ein Surfbrett mit Armen und Beinen vorantreiben – in jede Richtung und unabhängig davon, ob das Boot kieloben oder kielunten liegt. So lässt sich sehr schnell das Ufer erreichen und ein Großteil des Körpers hat keinen Wasserkontakt.

Welche Faktoren bestimmen die Geschwindigkeit der Auskühlung?

In erster Linie natürlich die Temperaturdifferenz zwischen Körper (36°) und Wasser. 15° ist da schon eine kritische Grenze, eine Temperatur, die von Oktober bis Mai in den meisten Gewässern unterschritten wird. Auch 20 oder 25° sind auf Dauer unverträglich, aber der Betroffene hat natürlich viel mehr Zeit und Kraft zur Selbstrettung.

Weitere Faktoren des Auskühlungstempos sind Isolation durch Kleidung und Körperfett, die Bewegung des Wassers durch Wellen oder Schwimmbewegung, weil immer wieder frisches kaltes Wasser an den Körper kommt und sich kein Schutzfilm von erwärmtem Wasser bilden kann. 50 Prozent des Wärmeverlustes gehen über den Kopf, eine Mütze bis über die Ohren ist deshalb im Wintertraining unbedingt notwendig!

Es gibt doch verschiedene Stufen der Unterkühlung?

Ja, eine gängige Einteilung der Hypothermie ist die folgende:

  • Erregungsstadium = bis 34°C: Muskelzittern, Bewusstsein, Atmung, Puls noch normal;
  • Erschöpfungsstadium = unter 34°C: Muskeln werden steif, Bewegungen werden unmöglich, Bewusstsein getrübt, Atmung und Puls verlangsamt;
  • Lähmungsstadium = unter 30°C: Muskeln starr, Bewusstsein fehlt, Atmung/Puls kaum wahrnehmbar; unter 28 °C: Kammerflimmern, Tod.

Im Stadium zwei, also bei nur zwei Grad Abkühlung, kann der Mensch durch die Muskellähmung bereits untergehen – wenn er keine Rettungsweste trägt, die den Kopf über Wasser hält. Dann kann er schon bei 34° Körpertemperatur Ertrinken. Mit Rettungsweste hätte er wesentlich mehr Überlebenszeit, weil der Kopf über Wasser ist und er atmen kann – selbst dann, wenn die Muskeln ihn schon nicht mehr über Wasser halten würden und er das Bewusstsein verloren hat.

Es gibt doch Richtzahlen, nach denen ein Mensch bei 5° eine Stunde und bei 10° Wassertemperatur zwei Stunden überleben kann.

Das gilt für männliche Erwachsene mit Kleidung und mit Rettungsweste. Das heißt: Der Betroffene kann sich ohne Schwimmbewegungen ruhig verhalten, der Kopf wird durch die Weste aus dem Wasser gehalten und durch die fehlenden Körperbewegungen bildet sich ein Bereich erwärmten Wassers um den Betroffenen, sofern nicht Wellen das verhindern. Zusätzlich hält die Kleidung die Wärme zwischen Haut und Kleidung größtenteils fest, das ist das Prinzip des „nassen“ Tauchanzugs.

Welche Überlebenszeiten sind also realistisch?

Realistisch ist eine andere Faustregel: 1 Minute Überleben pro Grad Wassertemperatur, also zum Beispiel: 5 Minuten bei 5 Grad. Danach lässt die muskuläre Lähmung den Betroffenen im Wasser verschwinden, wenn er keine Rettungsweste trägt. Unter Wasser ist die Atmung unmöglich: Der Mensch erstickt. Wenn er in diesem Moment nicht aus dem Wasser gezogen werden kann, ist er nicht zu retten und wird Tage später gefunden, wenn die Faulgase den Körper wieder auftreiben lassen.

Ist es demnach egal, wie nah wir unter Land rudern, weil wir bei kaltem Wasser das Ufer ohnehin nicht erreichen?

Eigentlich ja. Verschiedene kanadische und englische Statistiken zeigen, dass rund die Hälfte der tödlich Verunglückten näher als zehn Meter vom Ufer entfernt waren als sie ins Wasser fielen, in zwei Erhebungen waren es sogar nur zwei und drei Meter. Beispielhaft hat mir das ein Hamburger Ruderkamerad bestätigt, der Anfang April beim Anlegen mit dem Einer in die 4 Grad kalte Alster fiel und nach Auftauchen sich zwar am Steg festhalten, sich aber nicht mehr auf ihn schwingen konnte. Eine Viererbesatzung konnte ihn aus dem Wasser ziehen. Er sagt: Wäre ich allein gewesen, wäre ich nicht mehr aus dem Wasser herausgekommen (normalerweise ist das für ihn eine blitzschnelle Übung). Trotzdem ist es natürlich nicht unsinnig, in Ufernähe zu rudern: Beim Vollschlagen bleibt das Boot ja noch eine Zeit ruderbar, diese Zeit müssen wir nutzen, weiter Richtung Land zu kommen.

Gibt es Faustregeln für die Zeit, die ein vollgeschlagenes Boot ruderfähig bleibt?

Nein. Das hängt von der Bauart ab. Mit neuen Gig-Booten mit Luftkästen vorn und hinten (zumindest Abschottung und Abdeckung) und zusätzlichen Luftkästen unter den Rollsitzen kann die Mannschaft eines Vierers oder Fünfers im Boot bleiben und das Boot weiter rudernd in Sicherheit bringen, obwohl es komplett voll Wasser gelaufen ist. Boote ohne oder mit nicht ausreichenden Auftriebskörpern können evtl. noch von einem oder zwei Ruderern bewegt werden, während die anderen sich schwimmend am Boot festhalten. Der Obmann muss gegebenenfalls anordnen, wer aussteigt und wer sitzen bleibt. Wir haben in unserem Verein entsprechende Versuche mit verschiedenen Booten im Schwimmbad gemacht und die Mitglieder per Video geschult. Für die Steuerleute ist die Schulung bei uns Pflicht.

Wenn Personen aus dem Wasser gerettet werden, was ist zu beachten?

Zunächst Eigenschutz! Es hilft nicht, wenn weitere Menschen ungesichert ins kalte Wasser springen und auch ertrinken. Bei der Rettung gibt es das Phänomen des „Bergungstodes“: Durch die Bewegungen bei der Rettung stürzt sehr kaltes Blut aus Armen und Beinen ins Zentrum des Körpers, wo die Unterkühlung noch nicht so weit fortgeschritten ist. In kürzester Zeit führt die weitere zentrale Abkühlung zum Kreislaufstillstand.

Bei und nach der Rettung den Verunglückten also wenig bewegen?

Genau. In möglichst waagrechter Lage an Land ziehen und ablegen, nur die allernötigsten Bewegungen zulassen, Kleidung belassen, möglichst zudecken. Bewusstsein prüfen, bei Leblosigkeit sofort mit Wiederbelebung beginnen: 30 Kompressionen auf die Mitte des Brustkorbes, wenn eine harte Unterlage erreicht ist, gefolgt von zwei Beatmungen – sofern der Helfer es gelernt hat. Wegen des Sauerstoffmangels beim Ertrinkungs- und Unterkühlungsunfall ist in diesem Fall auch der Beginn mit 5 Beatmungen sinnvoll. Wer keine Beatmungen gelernt hat, soll nur die Kompressionen des Brustkorbes durchführen. So früh wie möglich den Notruf 112 anrufen und – wenn vorhanden – Personen zur Einweisung der Rettungskräfte zur Straße schicken.

Was ist zu tun, wenn der Gekenterte nach der Rettung dagegen wach ist?

Der wache und orientierte Patient sollte von der nassen Kleidung befreit werden und in trockene Kleidung und Decken gehüllt werden. Er kann mit „Hausmitteln“ (warme Getränke, warme Dusche, warme Kleidung) erwärmt werden. Am besten sollte er dabei nicht allein sein.

Was sieht eine gute Prophylaxe aus?

Im Trainingsbetrieb mit Kleinbooten sollte der Trainer im Motorboot in unmittelbarer Nähe sein, die Ruderer also eng zusammen bleiben. Er sollte Telefon und Rettungsdecke an Bord haben und auch auf angemessene Kleidung (Mütze!) seiner Schützlinge achten. Es gibt auch Vereine, in denen zur Winterzeit gar kein Training im Kleinboot stattfindet – jeder Verein muss in seiner Ruderordnung die Regularien festlegen, angepasst an Alter und Erfahrung der Ruderer und die speziellen Risiken des örtlichen Gewässers. Eine einheitliche DRV-Richtlinie ist deshalb wenig sinnvoll.

Spielt die Fixierung der Füße im Boot im Notfall eine Rolle?

Unbedingt. Der gekenterte Ruderer muss die Füße leicht vom Boot lösen können. Zu den Vorkehrungen gehören in den Rennbooten das Hackenband und die Einhandöffnung der Klettverschlüsse der Schuhe. Beim Gigboot muss darauf geachtet werden, dass die Schuhe nicht zu fest am Stemmbrett fixiert sind. Wenn sich die Sohle des Turnschuhes z.B. im „Flexfoot“ verhakt, kommt man schlecht raus. Eine Hilfe wäre, die Schuhe nur locker zu verschließen, sie müssen ja nicht so fest sitzen wie beim Fussballspiel.

Kommt es also darauf an, wer mit wem und in welcher Art Boot sitzt?

Genau. Die britische Ärztin Jane Blockley hat nach dem Tod ihres Sohnes (er hatte nach Vollschlagen des Oxford-University-Achters in Spanien versucht, das Ufer schwimmend zu erreichen) bemerkenswerte Regeln aufgestellt:

Vor jedem Ablegen überlege, wie würdest du gerettet oder dich selbst retten, wenn du im Wasser landest,

… bei diesem Wetter?

… mit diesem Boot?

… mit diesen Ruderkameraden?

… und an diesem Ort?

 Das heißt: Vielleicht entscheidet man sich für ein Boot mit besserer Notschwimmfähigkeit oder man fährt vielleicht nicht mit zwei Anfängern oder man fährt heute gar nicht. Konzentriere dich, nicht unterzugehen, es klingt simpel, aber wenn du den Kälteschock erwartest und weißt, dass er bald vorübergeht, hast du eine bessere Chance zu überleben.

Und die wichtigste Regel:

Die Entscheidung zu schwimmen, um sich an Land zu retten, muss am Ende aller Möglichkeiten stehen, weil sie die schlechteste Prognose hat! Jede Bewegung bedeutet Wärme- und Energieverlust. Das Boot nutzen, um wenigstens den Oberkörper aus dem Wasser zu bekommen!

Es war jetzt mehrfach von der Rettungsweste die Rede, was ist konkret der Nutzen?

Die richtig angelegte Weste hält den Kopf über Wasser, der Gekenterte atmet und bleibt über Wasser, ohne sich durch Schwimmbewegungen zu  erschöpfen. Selbst der Erschöpfte und vielleicht Bewusstlose bleibt atmend über Wasser und kann gerettet werden, andernfalls wäre er längst untergegangen.

Richtig angelegt? Kann man eine Rettungsweste falsch anlegen?

Ja, wenn der Brustgurt zu lose ist, schlägt der Schwimmkörper vor das Gesicht und der Kopf wird nicht über Wasser gehalten. Die Weste muss am Oberkörper so eng sein, dass beim Einatmen gerade noch eine flache Hand zwischen Gurt und Körper passt.

Einige sagen, sie könnten mit der Weste nicht rudern?

Richtig ist wohl: Sie wollen mit der Weste nicht rudern. Die Westen für Segler sind natürlich zu lang, die Westen für Ruderer enden oberhalb des Rippenbogens, zu dem wir im Endzug die Hände hinbewegen. Marc Swienty, der Internatstrainer in Ratzeburg, hat ja alle verfügbaren Westen getestet, sein Bericht im „Rudersport“ lautet zusammengefasst: Es kann nicht jeder mit jeder Weste rudern, aber jeder findet eine Weste, mit der er rudern kann“.

Automatik oder manuelle Auslösung?

Beim worst case, bei dem der Ruderer sofort hilflos ist, hilft nur die Automatik. Also bei Bewusstlosigkeit durch Anprall gegen ein Kollisionshindernis, bei Bewusstlosigkeit aus innerer Ursache, bei Panik und Erschöpfung. Der manuelle Auslösungsgriff an der Reißleine ist eventuell nicht sofort zu greifen, die Panik wird zunehmen. Fehlauslösungen durch Regen- oder Spritzwasser haben wir nicht erlebt, wohl aber Fehlauslösungen, weil sich beim Umdrehen des Bootes an Land die Reißleine verhakt hat. Also klare Aussage: Im schlimmsten Fall hilft nur die Automatik – warum diesen Fall ausklammern?

Kann man mit Rettungsweste schwimmen?

Auf jeden Fall. Rückenschwimmen geht sehr gut, aber auch Brustschwimmen, auch sich auf das Boot zu legen oder einzusteigen. Es kann allerdings nicht schaden, dies mit einer aufgeblasenen Weste ohne Stress einmal zu üben (im Sommer!).

Ist aus notfallmedizinischer Sicht eine Westenpflicht für Ruderer wünschenswert oder notwendig?

Man könnte nichts dagegen sagen, Motorradfahrer und Autofahrer wurden ja auch zu ihrem Glück in Form von Helm und Gurt gezwungen, Fahrradfahrer hingegen nicht. Die Sicherheitsrichtlinie des DRV verlangt von der Ruderorganisation, dass sie sicherheitsrelevante Regeln aufstellen soll, die für ihr Gewässer, ihre Ruderer und ihr Bootsmaterial passend sind. Das kann man schlecht überall gleichsetzen. Wir haben für Jugendliche Kleinbootverbot auf dem Rhein und Westenpflicht zwischen Ab- und Anrudern. Für Erwachsene gilt in Eigenverantwortlichkeit in der Winterzeit eine „dringliche Empfehlung“. Viele Erwachsene folgen dieser Empfehlung. Der Vorbildaspekt für die Jugendlichen ist dabei auch nicht unwichtig.

Also für Jung und Alt: im Winter immer mit Weste?

Jawohl, ein tödlicher Sportunfall ist per se schon eine Tragödie. Wenn dann noch klar wird, dass die Rettungsweste den tödlichen Ausgang des Unfalls verhindert hätte, wird es doppelt bitter.

Dr. med. Andreas Bartsch 
erschienen im „rudersport“ 10/2017

Wir bedanken uns für die freundliche Genehmigung zur Publikation bei den Autoren der Beiträge und bei der Redaktion der Zeitschrift „rudersport“.

 (alle Fotos: Andreas Bartsch, WSV Godesberg wsvg.de)

 

Anmerkung der Redaktion des WRC
Rudern gilt als eine der gesündesten Sportarten. Und Rudern zählt auch zur Kategorie der sichersten Sportarten. Dennoch gibt es Gefahren, die jeder kennen sollte, der diese Sportart betreibt. Mit dem Wissen darum und der Beachtung einiger Regeln läßt sich das Restrisiko beim Rudern noch weiter senken und die Sicherheit optimieren.

Eine der wichtigsten Voraussetzungen ist, dass jeder Ruderer schwimmen kann. Kenntnisse über das Rudergewässer sind eine weitere Voraussetzung, wenn man ins Boot steigt. Ist man selbst fremd in der Ruderregion oder Ruderanfänger, hilft eine erfahrene Steuerfrau / ein erfahrener Steuermann im Boot oder eine erfahrene Mannschaft.

Rudern ist ein Ganzjahressport. Rhein und Altrhein bieten schöne Touren. Aber auch der Rhein kühlt im Winter merklich ab. Daher stehen im WRC Schwimmwesten zur Verfügung, die genutzt werden sollten. Wichtig ist zudem neben einer angepaßten Kleidung, in unserer Region nicht alleine unterwegs zu sein. Sind mindestens zwei Boote auf Wasser, kann im Notfall eine Mannschaft der anderen helfen. Eine Essenz des obigen Berichts ist ferner, dass der erfahrene Ruderer immer - auch nach dem Kentern - in der Regel am Boot bleibt, denn die Boote schwimmen selbst nach dem Kentern.

Eine Abschlußbemerkung sei an alle Eltern gerichtet: Rudern ist ein schöner Sport, der weltweit betrieben wird. Nach 50 Jahren Ruderaktivitäten weiß ich, dass ernsthafte Verletzungen und Unfälle sehr selten sind, wenn ein paar Regeln beherzigt werden. - Übrigens: Die Teilnahme am Straßenverkehr, sei es als Fussgänger, Radfahrer oder Autofahrer ist gefährlicher als Rudern. Kinder-, Jugend- und Erwachsenenrudern, Leistungsrudern, Wanderfahrten, allgemeiner Ruderbetrieb für alle Altersklassen, Fitnessspaß im Kraftraum, Kaffeekränzchen für die Damen, Stammtisch und gesellige Events bieten Dir/Euch und Deiner Familie ein breites sportliches wie gesellschaftliches Betätigungsfeld im Wormser Ruderclub, unserem WRC! Komm, mach mit!

Euer Joachim Wolff